Anthologie der besten slowenischen Poesie

Kulturni center Maribor Buch Verlag, 102 Seiten, 2023

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Anthologie der besten slowenischen Poesie

Das Buch  Anthologie der besten slowenischen Poesie ist eine Auswahl übersetzter Gedichte einiger der wichtigsten Dichter der letzten 50 Jahre und vielversprechender Newcomer.

Es enthält Gedichte von:
Borut Gombač, Tone Kuntner, Lev Detela, Nevenka Miklič Perne, Tonja Jelen, Marija Švajncer, Valentin Cundrič, Valter Čučkovič, Franjo Frančič, Gregor Lozar

Übersetzung der Poesie: Urška P. Černe (Gombač, Kuntner, Detela, Miklič Perne, Jelen) und Miran Leydold (Švajncer, Cundrič, Čučkovič, Frančič, Lozar)


Borut Gombač
Vom Abend zum Morgen hin

Hinter den Wohnblocks im Osten ein roter Strähnenschal,
die Sonne löscht die Nachtlampen,
ein Kellner öffnet sein kleines Lokal,
vor der Bank rauchen verschlafene Putzfrauen.

Eine Kehrmaschine kehrt die Straßen,
unterm Sims die Vögel brüten,
ein Postbote schlenkert die zu schwere Tasche,
der Stadtgärtner wässert die Blüten.

Vom Abend zum Morgen hin windet der Pfad,
wir ziehen los mit Anbruch der Nacht,
flanieren auf allen Straßen der Stadt,
umarmt im Traum der Schlafberaubten.

Am Ausgang der Fabrik die Nachtschicht,
der Fahrer weckt den Bus jäh und firm,
beim Bäcker duften die Brötchen frisch,
das Wecker-Icon schwebt am Bildschirm.

Durchschwitzte Laken, Struwwelköpfe,
es rinnt von den Spülkästen, Hähnen,
heiße Kaffeekannen und Milchtöpfe,
Man muss vor dem Spiegel noch gähnen.


Tone Kuntner
In deiner Brust, Erde

In deiner Brust, Erde,
in deinem Herz siedelt der Trübsinn,
er sammelt sich gleich verseuchtem Wasser im Brunnen.
In deiner Brust nistet sich die Krankheit ein,
aufgesaugt von den Wurzeln der Bäume
Rache ging in deinem Herzen auf,
ausgelöst wie ein Erdrutsch hinterm Haus.
In deiner Brust, Erde,
siedelt der Hass.

Als liebte dich niemand mehr,
als liebte dich niemand mehr.


Tonja Jelen
Ein Gefühl der Bewegung,
als ich an der Ampel stehe.
Gewürgt von unterdrückter Luft.
Ticken der Gedanken.
Unzähliger. Sie brennen.
Erinnerungen quellen empor, verfinstern mein Gesicht.
Ich glitt in die Zeit.
Blieb.
Die Einsame inmitten der Dichte.
Das Glück keimt im Kern.
Ich sitze auf der Bank. Die Bahn
vergaß auf ihr Kommen.
Ich lerne, gute Gedichte zu wählen.
Begründung und Klarheit – Ingarden verschmilzt
im Geschmack – doch es ist wie ein Déjà-vu,
durchzuckt es mich.
Ich stehe auf. Das Mechanische ist nicht
das einzig mögliche Beförderungsmittel.
Obwohl alles so weit scheint,
fühle ich, den Gedanken festhalten zu können.


Marija Švajncer
Helle Gesichter

Man soll
den Gedenken
bewahren.
Helle Gesichter
bleiben,
die vorwärts blickten.
Sie sahen
grüne Wege
spürten frisches Gras
unter ihren Sohlen.
Augen schmolzen vor Glück,
suchten wissbegierig
andere Blicke,
leuchteten in dem,
was das Morgen
hieß.
Helle Gesichter
hinter dem dunklen Ereignis,
Licht am Bildschirm
und auf zerknüllten
Zeitungen.
Das Böse in der Einzelhaft,
ein Mörder,
der das Helle totschlug.


Nevenka Miklič Perne
Hinterm Sprachrand

Nur diese Stille
kräuselt sachte
die Wasseroberfläche,
schwappt hinterm
Sprachrand hilflos
um die Fichten, die
den Wald vorm Alltäglichen
schützen;
nur diese Stille
ist mein Werkzeug.


Valentin Cundrič
Jugend am Ufer

Am Ufer sitzt ein blindes Kind,
das mit den Schalen
sterbender Muscheln spielt,
Es streichelt ihre Augen
und weint. wenn sie sie schließen.
Sie geben sein Mitleid zurück
und bitten es,
mit ihnen zu sterben …
Oh, der blinde Junge am Ufer,
der die Welt vergessen hat!
Auf seiner Stirn
ist der Abend
eine große, gebrochene Blume.


Valter Čučkovič
Hilfe

Eine fremde Hand zupft mich am Ärmel,
um meinen Weg am Zebrastreifen zu begradigen, als ich mit
weißem Glied den Fluss aus Blech kreuze,
der beiderseits des Flussbetts in einer Stampede
wilder Rinder der besiedelten Prärie dahineilt.
Ich bedanke mich ins Leere, weil die
Hand bereits auf ihre Seite zurückgekehrt ist.

Eine andere Hand zupft mich am Ärmel,
um meinen Weg in Richtung meines Ziels zu lenken, weil
es mich gegen die Klippen vergessener
Sorgen um meine steckengebliebene Stelle am
Wendepunkt zwischen Maschine und Sessel schleudert.
Mein Dank verklingt im Wind, weil die Menschenmassen
meine Hand in einen Unterschlupf des Lärms geführt haben.

Eine Frauenhand zupft mich am Ärmel,
um meinen Weg entlang der Baracke zu begradigen, als ich
öffentliches Gut in Form eines Pissoirs suche,
wo es auf sanfte Weise stinkt und ein Schwarm
Insekten auf seinen Flügelphonen spielt.
Mein Dank fällt in den Abfluss, weil die
Dame bereits in den Gleichmut davongetrippelt ist.

Eine grobe Hand zupft mich am Ärmel,
um meinen Weg mit der Rinne der bleichen Blindwandler
in Einklang zu bringen, als ich versuche,
die Feiernden inmitten der engen Domgasse,
wo sie ihr seliges Nichtstun zelebrieren, zu umgehen.
Den Dank nimmt ein Ausländer entgegen, der
über einem Bierkrug freundlich brummt.

Deine Hand zupft mich am Ärmel,
um mich mit dir in Einklang zu bringen bei einer Umarmung,
die verdrängte Einsamkeit aus der Tiefe
drückt, als wir wiederfinden, was
dem Herzen für Zeitalter verloren scheint.
Ich küsse dich innig, und in Gedanken
danke ich den Händen für die Hilfe auf dem Weg
zu meinem Ziel, das in mich gefahren ist beim
Nachdenken über die Sammlung Am Kai.


Lev Detela
Utopie

ich war hier schon vor jahren
oder vor jahrhunderten
ich erinnere mich
dass der mond rot glühte
sein widerschein glitt flach über das unruhige wasser

die wilden alten zeiten
irgendein schrecklicher könig herrschte
niemand erinnert sich mehr an ihn

ich höre aber immer noch
dieses gebet der armen von vor gut fünfhundert jahren
in der form von etwas aus bleichem alabaster

es war eine bitte um hilfe
wegen der pest
viele sind gestorben
womöglich auch ich?

schlechte alte zeiten
von denen abgenützte verse singen


Franjo Frančič
In der ersten Reihe gehen die Unseren

Sag mir, sag mir, wie du lebst,
wohin du gehst, mit wem du schläfst,
sag mir, wen du wählen gehst,
damit wir wissen, wo du stehst?!

Und bist du wirklich unsereins,
dann ist bald alles deins, deins, deins,
gehörst aber zu denen du,
drohen schwere Prügel dir im Nu!

Es kann nur eine Wahrheit geben,
die unsere, keine andere eben,
für Freunde können wir sie biegen,
doch Feinde sollen sie gar nicht kriegen!

Ein Rechter, Linker, Linker, Rechter,
sei lieber unser, sei kein Schlechter.
Schwarz und Weiß, Schwarz und Weiß,
singt unsere Truppe voller Fleiß:
Sag mir, sag mir, wie du lebst, wohin du gehst,
mit wem du schläfst …


Gregor Lozar
Der Panda III

Ich habe Dionysos‘ Ruf vernommen,
als ich noch jung war;
ich träumte Träume von diesem Land,
in dem Frauen Wolfsjunge stillen,
ich bin einem Narren mit tausend Karten begegnet,
der fragt, welches Leben man gerne hätte,
ich schlief den Schlaf eines todbetrunkenen Menschen
und durchlebte einen furchtbaren Kater,
als ich versuchte,
mich ans Tageslicht zu gewöhnen.
Ich träumte Träume vom Miteinander der Vielfalt,
ich lebte zwischen vier Betonwänden,
nahm Werbespots auf, die sie nicht zu senden wagen.
Doch wo ist dieser Fremde hergekommen?
Warum erzählt er mir, die Menschheit teile sich
in viele, die sich durch Geld auszeichnen,
und Originale, die niemand mag.
Warum wirft er mir vor, ich sei nicht zur rechten Zeit gestorben,
warum fragt er mich, ob ich
Original oder Vater sein möchte?
Woher weiß er das? Liest er meine Gedanken?
Er sagt, er habe eine Lösung für mich.
Dass ich einen Film aufnehmen kann, der
zur Vielfalt beitragen und
die tief verwurzelten Vorurteile des Anthropomorphismus abschaffen wird.
Er sagt, ich würde dafür Geld bekommen.
Nicht genügend Geld, aber genug, um
in kurzer Zeit ein Kind zu zeugen.
Er sagt, er habe ein sehr gutes Projekt für mich.
Ob ich wohl Pornografie für Pandas drehen würde?


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